Die GEGENSTANDPUNKT-Redaktion bietet die Gelegenheit zur politischen Diskussion:
Diskussionstreff in Dortmund,
Dietrich-Keuning-Haus, Raum 226, Leopoldstr. 50-58 (Hbf Nordausgang)
3. März, 19:00 Uhr
Thema: Ein Jahr nach dem Maidan: Wem gehört die Ukraine?
Putin, Obama, Merkel:
Alle warnen sich gegenseitig vor einem Stellvertreter-Krieg in der und um die Ukraine – genau so kommt er in die Gänge.
Dass in der und um die Ukraine ein Stellvertreter-Krieg stattfindet, ist niemandem ein Geheimnis. Beide Bürgerkriegs-Parteien werden von auswärts ermuntert und unterstützt: die Separatisten im Donbass von Russland, die Regierung in Kiew vom Westen. Der Fall Ukraine ist von vorneherein eine Konfrontation zwischen den Weltmächten – erst indirekt, jetzt zunehmend direkt. Amerika erwägt offizielle Waffenlieferungen an die Ukraine plus Entsendung von Ausbildern; Deutschland und Frankreich wollen dies verhindern und verhandeln mit Putin und Poroschenko einen Waffenstillstand; die Russen warnen den Westen vor Einmischung in ihrem ‚Nahen Ausland‘ und drohen mit harten Gegenmaßnahmen: So wächst die Gefahr, dass sich der ‚Krieg vor unserer Haustür‚ zum ‚Schlachtfeld Europa‚ ausweitet.
Wer in der und um die Ukraine einen Stellvertreter-Krieg führt, ist schon nicht mehr ganz so klar. Nach Auskunft der Beteiligten immer der jeweils andere. Für Europas Öffentlichkeit jedenfalls sind die Rollen ziemlich eindeutig verteilt: Russland ist der Völkerrechtsverletzer und Kriegstreiber – sonnenklar, dass die ostukrainischen Separatisten in Wahrheit Putins Handlanger sind; die westliche Führungsmacht USA ist der legitime Schutzherr des Völkerrechts, gießt aber auch Öl ins Feuer – zweifelhaft, ob die Aufrüstung der ukrainischen Armee das Problem zu lösen hilft; Europa schließlich ist v.a. betroffen von russischen Machtgelüsten, also befugt, ihm die Grenzen aufzuzeigen, sprich: der berufene Vermittler – löblich deshalb die Friedensmission von Merkel und Hollande, um die Waffen zum Schweigen zu bringen, peinlich aber, wenn sich keiner dran hält. So wächst die Gefahr, dass Europa vor seiner eigenen Haustür nichts zu melden hat.
Wozu die Akteure Krieg führen lassen bzw. Frieden stiften wollen, ist diesen parteilichen Auskünften endgültig nicht mehr zu entnehmen. Dass Putin ‚dahinter steckt‚, wenn Blut fließt, reicht zum Beweis seiner bösen Absichten; dass Merkel an den Verhandlungstisch ruft, um das Schießen zu beenden, reicht als Beweis ihrer imperialistischen Unschuld; dass die USA Minsk II skeptisch beäugen, spricht mal für vorbildliche Entschlossenheit der Supermacht, mal gegen sie, weil sie Europa und insbesondere Deutschland in einen Krieg ‚hineinzieht‘, den – außer Putin – angeblich keiner will: Fertig sind die passenden Feind- und Freundbilder, in denen die weltpolitische Sache überhaupt nicht vorkommt, für die Russland, Amerika, die EU mit ihren jeweiligen Gewaltmitteln einstehen. Schaut man sich dagegen die Interessen an, für die Land & Leute in der Ukraine bluten müssen, so stellt sich am Ende womöglich heraus, dass die Redeweise vom ‚drohenden Krieg‘, der unbedingt zu vermeiden sei, noch nicht mal für das deutsche Machtinteresse ganz zutrifft.
Darüber wollen wir auf der Veranstaltung diskutieren:
– Warum der Streit um Bruch oder Schutz des Völkerrechts, ums Ziehen von Grenzen und Dazugehören von Menschen, um die Einhaltung und Überwachung von Waffenruhen – all das Stoff von Minsk II –, ohne Gewalt nicht zu haben ist und offensichtlich zur Verschärfung der Gegensätze zwischen Ost und West beiträgt;
– warum der innerwestliche Dissens über das Verhältnis bzw. die Reihenfolge von Verhandeln und/oder Schießen eine eigene Gewaltfrage in der NATO aufwirft und auf die Entscheidungsfrage zuspitzt, ob die Führungsmacht und ihre Partner gegenüber Russland überhaupt ein gemeinsames Ziel haben oder ob sie sich darüber zerlegen.