Die Attentate in Paris = ein Anschlag auf den Höchstwert Meinungsfreiheit = ein Anschlag auf die zivilisierte Staatengemeinschaft, die sich zum Krieg gegen den Terror herausgefordert sieht.
Wann: Dienstag, 03. Februar
Zeit: 19 Uhr
Ort: Dietrich-Keuning-Haus, Raum 226, Leopoldstraße 50-58 (Hbf. Nordausgang), Dortmund
Seit den Anschlägen in Paris steht es fest: Der islamistische Terrorismus ist ‚bei uns‘ angekommen und bedroht alles, was uns teuer und heilig ist; unsere Freiheit, die des Meinens allem voran. Diese Diagnose hat eine lächerliche Seite: Nach dem Massaker durch zwei fromme Desperados wird ein Satiremagazin in den Rang einer gesamtwestlichen Ikone erhoben, das ansonsten eher ignoriert oder mit Beleidigungsklagen überhäuft zu werden pflegt. Das Recht, seine unmaßgebliche Meinung äußern, sich insbesondere auch betont respektlos über den Glauben an Allah lustig machen zu dürfen, wird aus diesem Anlass in den Rang des Inbegriffs westlicher Aufklärung, unserer Lebensart und Wertegemeinschaft erhoben – so als ob das tägliche Leben im freien Westen in erster Linie dadurch geprägt wäre, dass die Leute miteinander streiten und diskutieren oder gar die geistige Unterwerfung unter selbstgewählte ‚Gottesgebote‘ kritisieren; so als ob nicht jeder wüsste, dass sich das wirkliche Leben in den westlichen Demokratien in erster Linie ums Geldverdienen mit all seinen Nöten und Notwendigkeiten, Gegensätzen und Gemeinheiten im Kleinen, um die beinharte internationale Konkurrenz um nationales wirtschaftliches Wachstum und politische Macht im Großen dreht.
Dass niemand lacht, liegt daran, worauf diese Idealisierung des nationalen, europäischen oder gesamtwestlichen „Wir“ zielt: auf die moralische Disqualifizierung seiner Gegner. Dass sie die friedliche Einordnung unter ihre wirklichen, nämlich wirklich elenden Lebensumstände in den Niederungen der freien Marktwirtschaft, in französischen Vorstadt- und sonstigen Ghettos unter Berufung auf den Islam verweigern, wird als Gegnerschaft gegen unsere Werte aufgenommen. Und zwar so, dass ihnen bestritten wird, Werte und gar religiöse zu haben. Damit steht fest: Es gibt letztlich keinen Grund, „gegen uns“ und „unsere zivilisierte Gesellschaft“ zu sein – außer ihrem „blinden Hass“ auf alle Werte, die unsere westliche Gemeinschaft auszeichnen. Diesem Hass müssen „wir“ entgegentreten – das ist die „Schlussfolgerung“, auf die all die Idealisierungen des „freien Westens“ und all die moralischen Dämonisierungen der Attentäter hinauslaufen. Das ist dann tatsächlich alles andere als eine lächerliche Angelegenheit. Denn wenn zum „gemeinsamen Kampf gegen Hass und Intoleranz“ gerufen wird, dann mögen zwar Stifte und Kugelschreiber als Symbol dafür hochgehalten werden; jeder weiß aber, dass diesen Kampf nicht „wir alle“ führen, sondern die Staatsgewalten, und zwar nicht mit Schreibgeräten, sondern mit all ihren überlegenen Mitteln militärischer, polizeilicher, geheimdienstlicher und rechtlicher Gewalt, die unsere staatlich gesicherte Freiheitsordnung gar nicht nur und gar nicht erst für den Kampf gegen den Terror vorsieht und anwendet.